Die Widmung

Nun, mein Kumpel Gauthier alias Long Long alias das große Wildschwein wollte mir eine Widmung (oder besser gesagt einen kleinen Roman) schreiben, um von seiner Freundschaft zu zeugen, und da er ein literarischer Mensch ist, habe ich ihm hier eine Seite überlassen…

Viel Spass beim Lesen!

„Komm rein, verdammt noch mal! Wir haben auf dich gewartet. Lass deine Schuhe an und setz dich hin.” Das erste und alle anderen Male verliefen ähnlich. Ein Schimpfwort an der Tür, ein zweites im Flur, die letzten der Flut während die Louise, Sandrine und Coralie einen Kuss erhielten. Der Empfang war in jeder Hinsicht aufrichtig. Man war willkommen. Aber man durfte nicht zu zimperlich sein. Vielleicht war der Tisch mit frisch gekochten Nudeln und Äpfeln vom Morgen verstellt. Man hatte für Dich einen Hocker hervorgeholt. Hervé wurde aus allen möglichen guten Gründen angeschrien, die Eloi rechtfertigen wollte. Im Ofen tat der Braten, was er tun musste. Es duftete. Es war laut. Die Damassiner im Obstgarten schienen durch das Fenster auf das Leben zu blicken, von dem sie sich ernährten. Hier liebten sich alle.

Die Branntweine kommen aus diesem Terroir. Sie sind geprägt vom Land, den Menschen, und ihrer Ungeschliffenheit. Ihrer unendlichen Zärtlichkeit. Sie wecken im Mund Erinnerungen, die man aus Scham verdrängt. Nur das Obst bekennt Farbe. Birne, Quitte, Pflaume, Kirsche. Jede Form hat die Kontouren und Farben dieses Hinterlandes der Ajoie, das eine fast kurvige Strasse von so gut wie allem trennt. Das Dorf hat eine rebellische Topographie. Wir sind nicht mehr in der Ebene. Man spürt, dass man aufsteigt. Mont-Terri ist nicht mehr weit entfernt. Die ersten Obstbäume laden zum Aufblicken ein. Diese Zweige, dann diese Kapelle mit ihrem stolzen Glockenturm und der treffend benannte Heilige. Ein Steinbrunnen vor dem Eingang. Schliesslich die Scheune mit dem Geruch alten Eichenholzes. Es regnet dort unten Licht, selbst in den Fässern, die im Dunkeln abgestellt wurden. Ausser Reichweite der Neugierigsten. Warten auf etwas Besseres. Bald wird das, was geduldig angebaut, geerntet und gereinigt wurde, in die Brennhäfen gefüllt, um es anschliessend in einer Freundesrunde zu teilen.

In diesem Fall ist das Teilen Gold wert. Zum Glück haben diese Spirituosen einen Sinn für Gemeinschaft. Das ist fast besser für die Gesundheit, und vor allem verhindert, dass man zu viel weint. Oder zumindest hilft die Menschlichkeit um uns herum, den Schmerz zu überwinden. Wir weinen nämlich über viele Dinge. Branntwein ist eine gereifte Spirituose. Er trägt unsere alten Sehnsüchte in sich. Er und wir halten zusammen. Wir würden diesen verdammten Esstisch mit seinen Nudeln und seinen schönen Menschen gerne wieder sehen. Wir trinken uns fröhlich. Mit ein wenig Mut lassen wir die Namen derer fallen, die wir vermissen, und wagen es, abgelenkt zu sagen, dass „es uns nervt“.

Hervé, ohne es zuzugeben, hat all dies im Kopf, als er die Fabrik für immer verlässt. Er hat etwas von einem Schiffbrüchigen: keinen Hafen, aber Hoffnung. Vor allem hat er Sehnsucht. Er träumt oft von jener kleinen Ecke Paradies, in der er aufgewachsen ist und wo der Boden die Erinnerung an jeden und an sich selbst bewahrt. Er verlässt den vorgezeichneten Weg, ein Schritt der sich als entscheidend erweist. Er geht mit Überzeugungen, die ebenso viele Versprechen sind, hinauf ins Dorf. Alles in ihm schreit nach diesem Wunsch, den Obstgarten, den Damassiner, den Esstisch wiederzusehen. Und dann dieser Glockenturm, der nach ihm ruft. Es fehlt fast nichts. Was er noch braucht, wird sich von selbst ergeben.

Er versucht, diese soeben wiedergefundene Vergangenheit mit einer Gegenwart zu versöhnen, die er neu erfinden muss. Er stösst auf eine eigenartige Maschine am Ende einer seltsamen Sackgasse. Man fragt sich, wer von den beiden auf den anderen gewartet hat. Ab der ersten Duftwolke füllt sich die Luft mit bekannten Düften. Er nimmt in dieser Brennerei, der Schwester der Alchemie, die sich in goldig spiegelnden Kupferrohren vor uns verbirgt, das Unsichtbare wahr, was nur wahre Nostalgiker sich vorstellen können. Genau wie Hervé scheint die Maschine ihrer Herkunft den Rücken zu kehren, bevor sie zu sich zurückfindet. Unwiederbringlich. Aber ätherisch. Die Maschine wird zum fehlenden Teil. Die Nabelschnur nach gestern und das Sprungbrett nach morgen.

Hervé wurde Destillateur an dem Tag, an dem ihm sein Vater im Obstgarten von Courtemautruy eine Handvoll kleiner gelber Pflaumen in die Kinderhand legte.

Die Geschichte liegt auf Ihren Geschmacksnerven.

– Gauthier alias Le Long

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